Wann rechnet sich eine Akquisition im IT und Softwaremarkt für strategische Investoren aus der Branche?
Gute Gründe als IT-Unternehmen und strategischer Investor eine Akquisition in Angriff zu nehmen! Wann ist die Akquisition eines IT/Softwareunternehmen sinnvoll?
- Kundenstamm zukaufen – Kosten pro Neukunden?
- Qualifizierte neue Mitarbeiter hinzugewinnen – der Markt hat kaum Bewerber!
- Cross Sales Synergien
- „Buy and build strategy“ – erfolgreichen großen Unternehmen folgen!
- Erweiterung des Produktspektrums – kostet weniger wie selbst entwickeln!
- Regionale/internationale Präsenz erweitern
- Neue Vertriebswege erschließen.
Wir unterscheiden nach Anbietern von Standardsoftwareprodukten (Tools oder beispielsweise ERP- Software) und Dienstleistern ohne wesentliche eigene Produkte. Der Unterschied zeigt sich schon alleine im Umsatz pro Mitarbeiter. Beim Standarddienstleister (Brot und Butter Beratung, Entwicklung und Systemintegration) um die 100.000 € beim produktorientierten Anbieter von 250.000 € bis weit darüber hinaus. Das spiegelt den Multiplikator von Produkten wieder und ist somit bei der Unternehmensbewertung auch durch die sicheren Wartungsumsätze eine gute Ausgangssituation. Überraschenderweise gibt es im Dienstleistungsbereich viele Unternehmen mit sehr guten Ergebnissen. Möglicherweise weil man keine Entwicklungsrisiken eingegangen ist.
Die folgende Beschreibung gilt für IT-Dienstleister und Produktanbieter gleichermaßen
Einen Kundenstamm zukaufen
Wie hoch sind die Kosten für einen Neukunden im Vergleich zum Preis, den man für den Zukauf eines Kundenstammes bezahlt? Was kostet bei einem mittelständischen IT-Unternehmen die Gewinnung eines Neukunden? Sind es 10.000 € pro Neukunde oder sogar erheblich höhere Aufwände, da man häufig im Neugeschäft auch noch erhebliche Zusagen macht?
Im Gegenzug kommen aus der Akquisition eines produktorientierten Unternehmens regelmäßige Wartungseinnahmen zusätzliche und bei übernommenen Altprodukten die Migrationspotentiale für die eigenen Produkte.
Umgekehrt hat ein Verkäufer oft die Motivation zum Verkauf, da er entweder über eine unzureichende Vertriebsinfrastruktur verfügt oder nicht die Mittel für eine Neuentwicklung hat. In der Folge bedeutet dies, dass früher oder später die Marktanteile und damit Einnahmen verloren gehen.
Logischerweise ergeben sich aus einem Zukauf eines Kundenstamms automatisch Cross Sales Synergien für die originären Produkte und Dienstleistungen des akquirierenden Unternehmens. Ein breiteres Produktspektrum von einem Anbieter wird vom Markt gerne gesehen und verstanden. Auch ist der vertriebliche Zugang in diesem Fall einfacher als bei der Neukundengewinnung.
Zukauf neuer Technologien und Plattformen
Die Entwicklung neuer Produkte als mittelständisches IT-Unternehmen erfordert einen hohen Kapitaleinsatz. Es gibt dabei Anbieter, die das technische und finanzielle Risiko von Neuentwicklungen massiv unterschätzt haben und entgegen ersten Budgetannahmen hohe zweistellige Millionenbeträge ausgeben mussten. Wir kennen mehrere Softwareanbieter, die dann entweder Insolvenz anmelden mussten oder zumindest in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten gerieten.
Mit der Akquisition von Unternehmen, die Software in neuster Technologie bereits entwickelten und die ersten Kundeninstallationen absolviert haben, kann man sich mit erheblich reduziertem Entwicklungsrisiko in zukunftsweisende Anwendungsplattformen einkaufen. Deren Weiterentwicklung sollte dann erheblich kalkulierbarer sein.
Die andere Seite der Medaille, aus Sicht eines Verkäufers, ergibt sich automatisch als Konsequenz aus den eingegangenen Entwicklungsrisiken und daraus resultierenden finanziellen Schwierigkeiten.
Eine Erweiterung des Produktspektrums kann mit ähnlichen Überlegungen angegangen werden, also die Vermeidung eines Entwicklungsrisikos bzw. die Bestätigung einer bereits erfolgten Markteinführung. Aktuelle Beispiele zeigen, dass die Global Players hier sehr offensiv vorgehen: Spektakulär die Akquisitionen von ORACLE mit SUN (ist jetzt bei der EU durch) oder IBM mit SPSS (1,2 Mrd. $) die Software AG mit IDS Scheer wie auch SAP mit business objects.
Qualifizierte neue Mitarbeiter hinzugewinnen
Versuchen Sie heutzutage neue und qualifizierte Mitarbeiter als IT Unternehmen einzustellen. Wenn man nicht selbst neue Mitarbeiter über Trainee-Programme entwickelt, ist dies ein mühseliges Unterfangen. Durch eine Akquisition kann man auch hier neue qualifizierte Mitarbeiter hinzugewinnen, vielleicht sogar in Regionen oder Fachthemen, die man selbst noch nicht so gut besetzt hat.
Eine „Buy and build“ Strategie ist sowohl für strategische wie auch reine Finanzinvestoren und Beteiligungsgesellschaften sinnvoll
Das Beispiel Infor hat gezeigt, dass mit entsprechendem Kapital innerhalb von 4 Jahren durch gezielte Zukäufe von ERP Unternehmen ein Global Player mit 70.000 Kunden, 8.000 Mitarbeitern und einem breiten Produktspektrum aus dem Nichts entstanden ist. Hier hat man mit einer gezielten „buy and build“ Strategie sich weltweit unter die TOP 5 Anbieter neben SAP, ORACLE, Microsoft positioniert.
Andere interessante Beispiele sind die zwei schon erwähnten polnischen IT-Unternehmen, die jeweils parallel deutsche ERP Softwareunternehmen zur Erweiterung der Marktpräsenz in Deutschland und zur weltweiten Vermarktung von bis dato nicht verfügbarer Anwendungssoftware gekauft haben. Dabei ist das in beiden Fällen der richtige strategische Ansatz und ich gehe davon aus, dass auch der Kaufpreis mehr als interessant für den Käufer war. Man hat den D-A-CH Markt gekauft, dazu fertige innovative Produkte ohne großes Entwicklungsrisiko (das Risiko haben die Vorgänger erfahren). Gleichzeitig erschließt man sich neue Produktsegmente und weltweite Marktchancen.
Auf die Zielsetzung kommt es darauf an
Für den Käufer ist es wichtig, sich über die Zielsetzungen der Akquisition im Klaren zu sein. Umgekehrt für den Verkäufer gilt es, genau die Beweggründe und Zielsetzungen des Käufers zu verstehen, um seinen Preis zu erzielen und sein Unternehmen optimal zu positionieren und zu verkaufen.
Ein Streben nach mehr Größe und Umsatz kann nicht die alleinige Begründung für eine Akquisition sein. Das muss auch auf dem Markt verstanden werden und funktionieren.
Für Finanzinvestoren heißt es, das richtige Ohr am Markt zu haben und funktionierende Konzepte zu verstehen und zu entwickeln. IT ist strategisch und bietet ein immenses Wachstumspotential mit innovativen Produkten und Dienstleistungen. Wer jedoch nicht auf eine substantielle Beurteilung der Produkt- oder Dienstleistungsstrategien mit all seinen Tücken achtet, liegt schnell mit seiner Investition daneben.
Es ist selbstverständlich, dass eine due Diligence für die juristischen und finanziellen Themen stattfinden muss. Häufig werden aber die versteckten aber geschäftsrelevanten Themen in der vorvertraglichen Phase vernachlässigt: Schlüsselleute blockieren neue Wege oder könnten gehen, übernommene Kunden verstehen die Übernahmestrategie nicht, mögliche Kündigungen von Wartungsverträgen erfolgen, übernommene Qualitätsprobleme mit dem Risiko erheblicher Nacharbeiten, Release Planungen werden trotz Zusagen nicht eingehalten. Oder auch das Produkt ist nicht mehr „wartbar“ bzw. die Produktreife ist weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Eine weitere Fehleinschätzung macht sich oft bemerkbar, wenn der übernommene Vertrieb nicht die projektierten Abschlüsse bringt und die vertriebliche „Pipeline“ sich nicht bestätigt und die Blase platzt.
Unser Fazit:
Es gibt für die mittelständische IT-Industrie viele sinnvolle Ansätze und Konzepte, um das Geschäft strategisch und substantiell nach vorne zu bringen oder sich als Finanzinvestor und Beteiligungsunternehmen in rentablen Unternehmen zu engagieren. Für den strategischen Investor ermöglichen sinnvolle Zukäufe ein risikofreieres Wachstum oder den Zukauf neuer Technologien. Wer die Krise mit Geld in der Kriegskasse gut überstanden hat, hat die besten Voraussetzungen für intelligente Akquisitionen mit hohem Wirkungsgrad. Das gilt gleichermaßen für reine Finanzinvestoren und Beteiligungsgesellschaften, als auch für strategische Investoren aus der Branche.
Auf der Verkäuferseite gibt es wie überall Bedarf für Nachfolgelösungen. Andere Gründe sind fehlendes Kapital für neue Produkte oder um Wachstumschancen zu nutzen. Auch hier muss eine Verkaufstrategie auf die Bedürfnisse potentieller Investoren ausgerichtet werden.
Wir haben langjähriges Know How in der IT- und Softwarebranche und unterstützen Sie beim Konzept für Ihre Akquisitions- oder Verkaufsstrategie, beim M&A Prozess selbst und darüber hinaus mit unserer langjährigen Erfahrung bei allen folgenden Integrationsaktivitäten auch nach einer Übernahme.
Bernhard Mayer war Vorstand in mehreren mittelständischen Softwareunternehmen und vice president bei einer amerikanischen Consulting Firma. Dazu kommt langjährige Management Erfahrung bei deutschen und internationalen großen Anbietern von IT- Technologien. Seine Schwerpunkte neben der M&A Beratung ist die Strategieberatung und Turnaround Management für Technologie- und Dienstleistungsunternehmen.